Haftungsfragen im Verein – Überblick für Vorstände, Mitglieder und Ehrenamtliche
Das Vereinsleben steht und fällt mit dem Engagement seiner Mitglieder und Ehrenamtlichen – vom Kassierer oder Kassenprüfer über den Jugendtrainer bis hin zum Vorstandsmitglied, das wichtige Entscheidungen trifft. So viel Freude und Gemeinschaftsgefühl das Ehrenamt auch bringt, so oft taucht im Hinterkopf eine heikle Frage auf: Wer haftet eigentlich, wenn etwas schiefläuft? Und wie kann man sich als Verantwortlicher absichern, um nicht mit dem Privatvermögen für Vereinsfehler aufkommen zu müssen?
In diesem Blogartikel geben wir dir einen leicht verständlichen Überblick über das Thema „Haftung im Verein“ – von den Grundlagen bis zu praktischen Tipps zur Risikominimierung. Dabei geht es nicht nur um Vorstände, sondern auch um Mitglieder, Übungsleiterinnen und Helfer, die sich im Vereinsalltag engagieren. Wir zeigen typische Haftungsrisiken auf und erläutern, wie sich Vereine und Ehrenamtliche bestmöglich schützen können.
Wichtiger Hinweis (Disclaimer): Dieser Artikel enthält allgemeine Informationen und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bei konkreten Fällen ist es sinnvoll, einen spezialisierten Anwalt oder Steuerberater hinzuzuziehen.
1. Grundlagen: Wer haftet überhaupt im Verein?
Ein eingetragener Verein (e.V.) ist eine eigenständige juristische Person. Das bedeutet zunächst: Der Verein haftet mit seinem Vereinsvermögen für seine Verbindlichkeiten. Geht also irgendetwas finanziell schief oder entstehen Schäden im Zusammenhang mit der Vereinsarbeit, ist in erster Linie das Vereinsvermögen gefragt.
Allerdings bedeutet das nicht, dass automatisch alle Mitglieder freigestellt sind. In einigen Konstellationen kann es zu einer persönlichen Haftung einzelner Personen kommen. Hier spielen unterschiedliche Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) eine Rolle – insbesondere zur Organhaftung (wenn der Vorstand fehlerhaft handelt) und zur persönlichen Deliktshaftung (wenn jemand durch eigenes Verschulden einen Schaden verursacht). Auch die Frage, ob jemand nur einfaches Mitglied ist oder aber Vorstandsfunktionen innehat, ist ausschlaggebend.
Typische Szenarien:
- Ein Vorstandsmitglied versäumt die fristgerechte Abgabe von Steuererklärungen und wird zur Rechenschaft gezogen.
- Ein Vereinsmitglied verursacht bei einer Vereinsaktion einen Sachschaden.
- Ein ehrenamtlicher Übungsleiter übersieht Sicherheitsvorkehrungen und jemand wird verletzt.
In all diesen Fällen kann neben dem Verein auch die handelnde Person privat haften. Es lohnt sich also, sich mit den Haftungsregeln und möglichen Absicherungen vertraut zu machen.
2. Die Haftung des Vorstands
Der Vorstand vertritt den Verein nach außen (§ 26 BGB) und hat eine besondere Sorgfaltspflicht. Fehler, die hier passieren, können im schlimmsten Fall richtig teuer werden – oft haftet dann der Verein und parallel die verantwortliche Person (Organhaftung).
2.1 Vereinshaftung vs. persönliche Haftung
- Organhaftung nach § 31 BGB: Wenn ein Vorstandsmitglied in Ausübung seiner Aufgaben Fehler macht, kann der Verein gegenüber geschädigten Dritten belangt werden.
- Gesamtschuldnerische Haftung: Ein Geschädigter kann sich an den Verein oder das Vorstandsmitglied oder an beide wenden. Dabei wird meist der solventere Schuldner gewählt. Wenn der Verein insolvent ist, geht man unter Umständen direkt an das Privatvermögen des Vorstands.
2.2 Typische Fallstricke für Vorstände
- Versäumnisse bei Steuern und Abgaben: Werden Steuererklärungen zu spät eingereicht oder Sozialabgaben für Angestellte nicht abgeführt, kann das Finanzamt bzw. die Sozialkasse den Vorstand in Haftung nehmen.
- Unfallszenarien bei Veranstaltungen: Stürzt ein Besucher bei einem Sommerfest wegen schlechter Sicherheitsvorkehrungen, kann man dem Vorstand bzw. dem verantwortlichen Veranstalter eine Verkehrssicherungspflichtverletzung anlasten.
- Falsche Spendenquittungen: Falsch ausgestellte Spendenbescheinigungen oder zweckwidrige Verwendung von Geldern können strafrechtliche Folgen haben.
- Überschreiten der Vertretungsmacht: Schließt ein Vorstand unbefugt Verträge (zum Beispiel ohne satzungsmäßigen Beschluss) ab, kann er sich persönlich schadensersatzpflichtig machen.
- Insolvenzverschleppung: Wird eine Vereinsinsolvenz trotz Zahlungsunfähigkeit nicht rechtzeitig beantragt, droht persönliche Haftung.
2.3 Haftung im Innenverhältnis
Nicht nur Dritte, sondern auch der eigene Verein kann Vorstände verklagen, wenn diese zum Beispiel grob fahrlässig handeln oder Gelder veruntreuen. Für ehrenamtliche (unentgeltliche) Vorstände hat der Gesetzgeber eine Haftungserleichterung geschaffen (§ 31a BGB). Danach haften ehrenamtliche Vorstände nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gegenüber ihrem Verein und den Mitgliedern. Bei leichter Fahrlässigkeit kann der Verein also keine Schadensersatzansprüche geltend machen.
Beispiel: Ein Sportverein verklagt seinen Vorstand, weil die Kasse nicht korrekt geführt wurde. Hat der Schatzmeister lediglich aus Versehen eine kleinere Unregelmäßigkeit übersehen, dürfte das keine grobe Fahrlässigkeit sein – also keine Haftung nach § 31a BGB. War es jedoch ein massives Versäumnis (zum Beispiel komplette Ignoranz von Buchführung), kann grobe Fahrlässigkeit vorliegen und eine persönliche Haftung entstehen.
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3. Haftung der Vereinsmitglieder
Als einfaches Mitglied eines e.V. haftet man nicht für die allgemeinen Schulden des Vereins. Anders als in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bleibt das Privatvermögen außen vor, wenn der Verein beispielsweise seinen Mietzahlungen nicht mehr nachkommen kann.
Allerdings ist jeder Mensch laut Deliktsrecht (§ 823 BGB) für eigenes Verschulden schadensersatzpflichtig – egal, ob das im Rahmen einer Vereinsaktivität passiert oder privat. Verletzt also ein Vereinsmitglied einen Dritten fahrlässig, haftet es auch persönlich (etwa für einen Sachschaden). In der Regel nimmt der Geschädigte den Verein in Anspruch, dieser könnte dann intern Regress verlangen.
3.1 Haftungserleichterung durch § 31b BGB
Seit 2013 werden Mitglieder, die ehrenamtlich für den Verein tätig sind, im Innenverhältnis ähnlich geschützt wie Vorstände. Nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit müssen sie haften. Das heißt, wenn du als Helfer ein Fest mitorganisierst und dabei jemandem unbeabsichtigt einen Schaden zufügst, kann der Verein dich nicht für leichte Fahrlässigkeit belangen.
Achtung: Gegenüber außenstehenden Dritten (zum Beispiel einem Hallenbetreiber) bleibt die persönliche Haftung rein rechtlich bestehen. Allerdings kannst du beim Verein Freistellung verlangen, solange du nicht grob fahrlässig gehandelt hast.
4. Ehrenamtliche Helfer und Übungsleiter
Viele Vereine leben vom Engagement freiwilliger Unterstützer – ob als Trainer, Betreuer oder Festhelfer. Dabei kann es sich um Vereinsmitglieder handeln, oder um Externe (Eltern, Freunde des Vereins und so weiter).
- Mitglieder-Helfer: Fallen unter den Schutz des § 31b BGB (nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz haftbar im Innenverhältnis).
- Externe Helfer: Stehen nicht automatisch unter diesem gesetzlichen Haftungsschutz. Der Verein haftet zwar in der Regel gegenüber Dritten für diese „Verrichtungsgehilfen“ (§ 831 BGB), aber externe Helfer können selbst direkt in Anspruch genommen werden, wenn sie einen Schaden verursachen.
Tipp: Viele Vereine schließen ihre externen Helfer vertraglich in Versicherungen ein (beziehungsweise klären eine Freistellung) oder übernehmen das Risiko von leichten Fahrlässigkeiten. So werden mögliche Haftungsszenarien entschärft und Ehrenamtliche müssen weniger Angst haben, im Ernstfall privat belangt zu werden.
5. Typische Haftungsrisiken und Praxisbeispiele
- Finanzielle Verpflichtungen: Das prominenteste Beispiel sind nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge für Vereinsangestellte. Gerichte werten dies häufig als grobe Fahrlässigkeit. Ein Vorstand kann schnell persönlich in fünfstellige Beträge rutschen, wenn der Verein insolvent geht.
- Veranstaltungen und Verkehrssicherungspflichten: Die Sicherheitsauflagen auf Festen oder im Sportbetrieb werden oft unterschätzt. Stürzt ein Besucher wegen einer losen Kabeltrommel, kann man dem Vorstand bzw. dem verantwortlichen Veranstalter eine Verkehrssicherungspflichtverletzung anlasten.
- Falsche Spendenquittungen: Wer falsch ausgestellte Bescheinigungen oder zweckwidrige Verwendung von Geldern verantwortet, riskiert auch strafrechtliche Konsequenzen.
- Überschreiten der Vertretungsmacht: Ein Vorstandsmitglied, das ohne Beschluss seiner Kolleginnen und Kollegen eine größere Investition tätigt, kann persönlich haften, wenn der Vertrag unwirksam ist.
- Insolvenzverschleppung: Sobald die Zahlungsunfähigkeit droht, muss rechtzeitig Insolvenz beantragt werden. Geschieht das nicht, droht persönliche Haftung.
6. Absicherungsmöglichkeiten: Versicherung & Co.
- Vereinshaftpflichtversicherung: Deckt Personen- und Sachschäden ab, zum Beispiel wenn ein Besucher bei einer Vereinsveranstaltung verletzt wird oder Eigentum Dritter beschädigt wird.
- D&O-Versicherung (Directors & Officers): Diese spezielle Vermögensschaden-Haftpflicht versichert Fehler von Vorständen und leitenden Organen. Sie greift beispielsweise bei steuerrechtlichen Versäumnissen oder Vertragsfehlern, die finanzielle Schäden verursachen.
- Vermögensschaden-Haftpflicht: Ergänzend zur D&O kann eine allgemeine Vermögensschaden-Haftpflicht sinnvoll sein, etwa wenn durch Entscheidungen von Vorstand oder Kassierer finanzielle Nachteile für den Verein entstehen.
- Rechtsschutzversicherung: Hilft dabei, Anwalts- und Prozesskosten zu übernehmen, zum Beispiel wenn ein Vorstandsmitglied strafrechtlich belangt wird oder der Verein zivilrechtliche Streitigkeiten klären muss.
Tipp: Einige Landesverbände und Dachorganisationen bieten Sammelversicherungen an, die genau auf Vereinsbedürfnisse zugeschnitten sind. Erkundigt euch, ob es solche Gruppenverträge für eure Sparte gibt – oft sind sie günstiger als Einzelabschlüsse.
7. Praktische Tipps zur Haftungsprävention
- Satzung und Ordnungen prüfen: Formuliert Haftungsbegrenzungen bei einfacher Fahrlässigkeit in der Satzung. Achtet auf den Maximalbetrag (aktuell 840 Euro), wenn ihr Vorständen oder Mitgliedern eine Aufwandsentschädigung zahlt. Überschreitet ihr diesen Betrag, fällt der ehrenamtliche Haftungsvorteil weg.
- Saubere Buchführung und Transparenz: Führt alle Finanzen sorgfältig, arbeitet mit Checklisten. Dokumentiert Vorstandssitzungen und Beschlüsse, um im Zweifel nachweisen zu können, dass ihr sorgfältig gehandelt habt.
- Schulungen und Sensibilisierung: Wer seine Pflichten kennt, agiert vorsichtiger und vermeidet grob fahrlässige Fehler. Nutzt Verbandsangebote für Fortbildungen und Infoabende.
- Aufgabenteilung und Vier-Augen-Prinzip: Verteilt Verantwortlichkeiten im Vorstand und vereinbart klare Zuständigkeiten. Bei sensiblen Transaktionen besser zwei Unterschriften verlangen.
- Verträge für externe Helfer: Wenn Eltern oder Bekannte bei Veranstaltungen helfen, kann man schriftlich vereinbaren, dass der Verein sie bei leichter Fahrlässigkeit freistellt. Das fördert das Sicherheitsgefühl und die Engagementbereitschaft.
- Entlastung des Vorstands: Die Mitgliederversammlung kann den Vorstand jährlich entlasten. Damit wird auf Ansprüche verzichtet, die dem Verein bekannt sind. Das schafft mehr Rechtssicherheit. Wer als Vorstand offen und korrekt kommuniziert, erhält meist problemlos Entlastung.
8. Fazit
Ob als Vorsitzender, Kassierer oder normales Vereinsmitglied: Die Haftungsfrage geht alle etwas an. Zwar ist der eingetragene Verein eine Rechtsform, die für viele Pflichten und Schulden mit ihrem Vereinsvermögen einsteht. Doch jeder, der in einem Verein tätig wird, trägt auch persönliche Verantwortung und kann im Ernstfall haftbar sein – je nachdem, wie groß der eigene Verschuldensanteil ist.
Das klingt zunächst beunruhigend, aber keine Panik: Der Gesetzgeber hat durch §§ 31a und 31b BGB die Haftung für Ehrenamtliche deutlich eingeschränkt. Und mit dem richtigen Versicherungsschutz (Haftpflicht, D&O und so weiter) lässt sich das finanzielle Risiko minimieren. Wer seine Hausaufgaben macht, sorgfältig handelt und im Zweifel fachliche Beratung einholt, bewegt sich in puncto Haftung auf sicherem Terrain.
Letztlich soll das Ehrenamt Spaß machen und der Gemeinschaft dienen – kein Vereinsvorstand und kein Helfer sollte vor lauter Haftungsängsten schlaflose Nächte haben. Ein bisschen gesunder Respekt vor den Pflichten ist aber ratsam. So lassen sich große und kleine Haftungsrisiken im Vereinsalltag gut managen, ohne dass die Freude am Ehrenamt verloren geht.
9. Disclaimer
Bitte beachte, dass dieser Artikel nur einen allgemeinen Überblick bietet und keine Rechtsberatung darstellt. Jeder Verein ist anders, und die Rechtslage kann je nach Einzelfall variieren. Hast du konkrete Fragen oder läuft gerade ein Rechtsstreit? Dann hole dir unbedingt professionellen juristischen Rat, zum Beispiel von einem Anwalt, Steuerberater oder über deinen Landesverband, der oft Kooperationen mit Rechtsexperten pflegt.
Wir hoffen, dass dieser Artikel dir etwas mehr Sicherheit im Haftungsdschungel verschafft hat. Mit Wissen, Organisation und dem passenden Versicherungsschutz ist das Risiko überschaubar – und du kannst dich mit gutem Gefühl auf das konzentrieren, was wirklich zählt: Spaß und Erfolg in deinem Verein!